ZOOM davonlaufen

Gut, neue IT-Tools brauche ich nicht immer zuerst, da habe ich eher so eine gelassene Art damit umzugehen. Stressless, heisst das glaubi. (Nicht nur der Nuvo-Biedermeier-TV-Stuhl aus der TV-Werbung…) Will heissen, eigentlich ist’s mir egal.

Die Möglichkeiten des digital unterstützten ortsunabhängigen Arbeiten sind ja wirklich ein Segen. Und Ja, Tablett oder Smartphone sind tolle oder auch die schrecklichsten und folgenreichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Wecken bei den Falschen manche Bedürfnisse, die wir sonst nicht hätten und lässt uns an allem Möglichen teilnehmen…

Ich hab’ bei unserem Sohn, U-Berater mit Microsoft und Team die Selbstverständlickeiten gesehen, wie man damit umgehen kann– oder könnte? Mit all den Zoom-, oder Team-tools. Meist streng durchgetaktet–wirklich ein Segen.

 

Reality check bei einem real existierenden Bündner Unternehmen: Wir hocken zu fünft vor einem kleinen Tablett in Chur. Altersdurchschnitt zwischen 60 und 74 (das bin ich). Ein Soziologe würde sagen zwischen abgelöschten Jobbern und intrinsisch übermotivierten Bestätigungs-Senioren-Unternehmern.

Eine Dame bemüht sich…aber es war so pandemisch surreal, als wollte sie durch eine Plexischeibe ein Glacé essen.

 

Wir kommunizierten mit hochbezahlten Beratern zwischen Basel, St. Gallen und Chur. Und ich ging davon aus, dass bei diesen anwesenden Durchschnittsstundenlöhnen so was wie eine technische Vorbereitung, also vorbereitendes Beherrschen der Besprechungstools auch selbstverständlich seien. Es ging aber rund 25 Minuten bis zum Start.

„Jezt söttis glaub go..“
„Freigabe steuern? Was maint’r damit?“

…und so on. Die anderen, also die Basler und St.Galler etwas ungeduldiger. Die hielten uns nach 10 Minuten schon für Basic-Vollpfosten. Lasen wahrscheinlich multitaskend parallel E-mails und beantworten Mitteilungen auf dem Smartphone. (Da kann man die Verrechnungstunden multitaskend multiplizieren.)

„Jezt muasch abr d’Muus golohn“

„Wart, dr Kevin waiss wohrschinli wia, i lüt im a..
i khan abr nit dr Bildschirm varlooh?“

Ja, die zunehmende Verwendung von immersiven Frontier-Technologien wie dem Metaversum verändern unser Leistungsfähigkeit, so etwa hat die NZZ vorsichtig gemeint. Je nachdem werden unterschiedliche Hirnregionen aktiviert. Oder gar keine.

„ was maint är mit shiften?“
„Jetzt häsch abr dr Bildschirm nit teilt..“
„Mümar jetz uf „Dokument taila“?“

Das teile ich jetzt voll.

Zoom Fatigue. So heisst, ja die Erschöpfung nach einer Video-Konferenz.

 

Da niemand die Sitzordnung nach visueller Screen-Aufteilung beorderte, war ich dann die ganzen zweieinhalb folgenden Stunden nicht im Bild – also nicht auf dem Screen der eigentlich dazu vorgesehen war. Mein Glück. Ich musste damit nicht ununterbrochen auf das weit weg liegende Tablett und den entsprechend kleinen Bildschirm starren, wie es gefordert wird.

 

Am Schlusse der Herr von Basel. (demonstriert digital stressless):

„I muess mi do leider uusse schliche, will i do no en Anschluss-Call ha…“

 

 

 

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Calanda Hymne

Mal gelernt. Eine gute Regierung ist wie eine geregelte Verdauung; solange sie gut funktioniert, merkt man kaum etwas von ihr.
Das ist auch bei uns in der Graubünden-Politik so. Und auch mit  unseren Bergen irgendwie so. Der Calanda, der Stoiker vor meinem Fenster, der hat’s nicht nötig sich irgendwie zu erklären.

Wenn ich ein Berg wäre, wär’ ich der Calanda. Der ist so durchschnittlich. Und sieht manchmal so schön aus, dass es nicht auszuhalten ist. Der hat so eine Wer-die-Welt-liebt-lässt-sie-in-Ruhe-Haltung. – Jo, isch doch guat, wissen wir – eigentlich will doch jeder etwas Fassbares, Klares, etwas Einordbares, etwas was sich nicht verändert.

Danach sehnt man sich nach all diesen Corona-Jahren. Das haben wir nun mindestens schon 22 Monate hinter uns. Und es geht wahrscheinlich noch länger. Nach all diesen Unwägbarkeiten, diesen unvorhersehbaren In-die-Welt-treten neuer Viren, neuer Infos. Dieses Ungewisse, das nennt man heute Emergenz. Und ja, einige (wenige) von uns sind emergenzwiderständischer geworden.

Und man weiss, je komplexer das Ganze, desto mehr Angstarroganz bleibt…wie bei den Diktaturschreiern.

Das ist wie bei der Kunst. Je preisgepushter, desto durchergefallen: je lauter, desto Nichtssagender.

OK, unser angeborenes Fluchtverhalten ist ja eher für die steinzeitliche Kleingruppe gemacht.

So im Stile Aha-ein-Calanda-Wolf-LAUTSCHREIEN. Gppvrdmmi.

Geht aber nicht. Da ist mal ein Mangel an Selbstberuhigungsstoffen. Und unsere toxische Positivität hilft auch nicht immer. Am meisten hilft Kontingenz, aber sag das mal diesen Daseins-Schwurblern: „Kontingenz bezeichnet prinzipielle Offenheit zu Komplexität“. Die kennen das Wort wahrscheinlich gar nicht.

Der Calanda schon, der macht das einfach immer richtig. Das Richtig-Sein kommt von seinem Überblick. Der sieht den Nebel schon in Sargans kommen und weiss: „Aha, sogar der Mittenberg ist am Mittag zu.“ (Also nicht besoffen.) So wie der Polizei-Forensiker in schlechten Krimis zu sagen pflegt: „….so zwischen ein Uhr und vier Uhr…“

Natürlich weiss der auch, dass so ein Steinbock auf seinem Grat mehr vom Leben versteht, als die meisten Menschen.

Der bekommt dann auch keine Hirnerschütterung weil seine Selbstgefälligkeit etwas leidet, weil er impfen sollte…

Er weiss, viele kraxeln zu ihm herauf, um den Himmel zu überwinden.
Und dass sie im Grunde genommen so eine Entgötterung möchten, aber nicht können. Er weiss auch, es gibt so nebst einigen HUHU-Berge wie dem Uetliberg auch gestandene Berge wie Tödi und Bernina. Keine so arrogante Dünkelberge…die dann plötzlich von Weitem so Stadt-Land-Gräben sehen wollen. Er sieht alle Möglichkeitsräume. Auch diese deprimierende Vielwichtigkeit und Vielschichtigkeit der Nebelwerfer.

 

Guat, wenigstes sieht unsereiner ja täglich in der Tagesschau jemand, dem es schlechter geht. Das funktioniert wahrscheinlich auch unter Bergen so.

Der Calanda sieht den Polentahügel, den Berg-Simulanten: Denkt sich, der passt guat zu Chur,

Hier haben wir viele solche Management-Simulanten, so Vührungs-Fornehm-Tuer. Eigentlich wie der Stapi…die spielen diese Rolle sehr gut…und füllen dann so ein Autoritätsvakuum.

 

Wir möchten halt alle so wie Winnetou dichtgeschmiegt an den Hals des Pferdes, dem Omikron-Feind im Kampf tapfer allen Bergen entgegengaloppieren. Uns in die richtige Kohorte einsortieren.

So wie ein schizophrener Schamane in einem Sioux-Dorf, der

 

gerade wegen seiner Unfähigkeit die Welt rational erklären zu wollen, als Prophet hochgeschätzt wird.

 

So wie diese Trumps, Orbans und Chiesas…mit „ derwischmässigem Wiederholen monotoner Schlagworte bis alles Schaum vor dem Mund hat.“

Guat, alles ist nicht so eine primitiv-exzentrische-populärdemokratische Nicht-Denkwelle wie bei unseren vermeintlichen Polit-Oppositiöönlern.

Diese Obergurus in Sachen spezifischer Hirnficks wissen das schon. Sie warten wie Wladimir und Estragon auf einige Deppen, die dann mitmachen, freedom day, eine Steuersenkung, einen neuen Blocher oder einfach auf die Leerstellen auf den Konti anderer. Das alles mit diesen Obertönen in der Stimme, mit zu vielen falschen Höhen, dünn und so tölpliganbiedernd…

Guat, Wladimir (also nicht der umnachtete Wladimirowitsch) und Estragon haben eben Beckett gelesen und diese Was-soll-das-Ganze-Fragen schon längst abgehandelt. Das volle Programm. Die wissen, das das Leben in der Politik so etwas ist wie eine leicht angedischte Banane, schon 2 Wochen im Mammut-Rucksack, matschig, reglos weich eine träge Masse, so ein ausgegorener Brei, der dann in den Medien als knallharter Fakten-Pudding zelebriert werden muss.

Die hätten auch im Godot eine Antwort auf Corona:

„Wir lassen es verschwinden. … In einem Augenblick werden alle verschwinden und wir werden wieder allein sein…

 

die Tränen der Welt sind eine konstante Menge.“ (OK, alles noch besser als die Gewerbeverband-Statements): Ja, das denkt wohl auch der Calanda und denkt sich dazu vielleicht auch: „Man beachte die tiefe Ironie.“

Und die Abenddämmerung zwinkert vom Tödi her sanft rüber. Meint vielleicht zu mir: „Und wieso hast du jetzt nicht die Welt gerettet, sondern nur einfach so einen sinnlosen Berg-Blog hingeschrieben?
Auch da hat Beckett die Antwort. Die Zeit. „Sie wäre sowieso vergangen“, heisst es in „Warten auf Godot.“

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