Spinner

Ich bin ja so ein Komma-Spinner. Siehe oben. Also einer der in Gym-Hallen zu Musik tramplet. Und noch Spass dazu hat. Bis fast zum Komma.

Was für ein Liebreiz? – Könnten Wölfe lachen (das können sie jetzt aber nicht mehr so viel bei uns), würden sie sich in die Krallen kichern. Soviel unnatürliches, so weit weg von der Natur, soviel künstliches. Da kann man doch auch im Fürstenwald spazieren. Das meinen auch meine Kollegen.

Das meinen  meine Spinner-Kollegen nicht. Spinnerinnen und Spinner. Cycling nennt man das Ding etwas modischer.   Wenn wir im Takt auf dem Rad bouncen und rhythmen, wippen und schaukeln, sind wir eins. Ob die 20 jährige Churer-Audabi-Influenza (ohne SVP Sünnali über dem Arschgeweih) oder der 65 jährige, teigige Silberrücken (Tatto-los). Das ist unsere gemeinsame Art zu altern ohne zu altern. Sogar der Tinitus schreit dann manchmal zufrieden ob des harmonisch-akkordreichen, lauten Sound-Getümels…

Das trifft dann zu für recycelte Politiker, für Zu-Alt-Manager ohne Gravitationsfeld, auch für Wechseljahrschwabbelnde..

Mit neuem Elan, zerflederte Ichs, die wieder strahlen…Die einen mit fleckiger und pergamenter Haut, plastinierten Alt-Glatzen und andere mit mehr oder weniger nur noch moralischem Stützapparat. Die anderen knackig-jung oder einfach Teens, die auch mal die Sau rauslassen wollen. Aber alle machen diesen ochsnersporthaften Veitstanz, mal a-rhythmisch, und teilweise spastisch mit. Wir Alten, sportverkleidete Jugendliche, mit der jungtravoltahaften Gestik des alten Durchschnittsboomers dürfen dabei sein. – Ja, man muss auch gönnen können.

Wenn Leute ihr rühriges Zusammensein performen…geht das dann halt fast bis zur Ballermann-Blödigkeit. Wenn dann 30 Nichtsänger mitgrölen: „ Hu de fock is ÄLIS¿“- so frei flottierender Schwachsinn ist ja lockernd. Die Welt ist eh nicht von allein kohärent. Es braucht schon Massen-Akkorde ala Tina Turner,  Stones oder Bligg um uns Generationen zu verbinden…

Es riecht nach Turnhalle, Covid, Wädlischmieri und Eau de Schport..

Und wenn die Alten lange genug über Schlankheitskuren, neue Knies und E-Bikes geredet hatten, clicken sie sich dann in die Clicks, hocken sie dann auf den Sattel.

Solche Dinge geben dem Leben eben einen Halt. – Heute  ziehe ich eh meine Bein-Kraft aus den Dissonanzen der Menschen um mich. Wir zelebrieren so das balsamische Lebensgefühl der Helene Fischers oder der Stubete Gäng, natürlich meist atemlos am Schlusse. So arbeitet die Zeit wie ein gut funktionierendes Elektromotörli mit dem nötigen Drehmoment.

 

Und was natürlich das Geheimnis dieses Sportes ist: man MUSS NICHT  performen. Niemand weiss wieviel Widerstand du eingestellt hast….
cardiocrashiges, bewegungsreiches Vollversagen inklusive.

Auch die sonstigen übelsten Ranglistenfüller, Säcke, auch die allerschwächsten, die totalen Blindgänger sind am Schlusse genau gleich weit. Eine Lebenserfahrung, die wohl am  meisten wir Alten schätzen. Dieses dumme Gefühl ein ganzes Leben verschwendet zu haben, geht da in einer Stunde verloren…

 

Da wird man dann ein anderer Mensch- basierend auf demselben seelischen Chassis. Wobei das reale Chassis natürlich bei den meisten gewinnt. Ich habe Damen beobachtet, die dank dieser Aussicht und der verlorenen Kilos wieder Aussicht auf einen späteren Geliebten haben wollten.

Während der Nackenspeck meiner testosteronen Alterskategorie oft immerhin etwas sportlicher wird. Hartnäckiger Bauchschwabbel schwabbelt wenigstens im Takt…ja sie sehen dann so glücklich aus wie die Golfer, die lebenslang einen  Diesel gefahren sind, und jetzt im Tesla die Knöpfe für den Aschenbecher suchen.

Wohin nur könnte ich hinab-hinaus-voranflüchten? Fragte sich auch schon Odyseus. Wahrscheinlich auch  Napoleon (wieder aktuell )  auf dem Rückzug aus Russland. Dort entstand das Schweizer-Beresinalied. „Jeder hat auf seine Weise etwas, das ihm Kummer macht. “ Mindesten der Kummerspeck.

Darum weiss ichs. Spinnen muss man. Und wie schon Bob Marley selig am Schlusse sagte:

„Manche Leute spüren den Schweiss. Andere werden nur nass.“

Oderso. Das macht den Unterschied.

Die Radleropas, meine Szene, schauen sich dann die Omasgegenrechts mal  richtig an, nicht nur politisch…das Links-Rechts-Schema outet sich ja kaum im Outfits. Eher in Bike-Marken, von Scott bis Cube… Jede Form von Marken-Eskapismus ist erlaubt. (In Klammer: in der Schweiz gibt’s eh bald mehr Hochleistungstraktoren als Bauern. Wieso sollen wir uns nicht als menschliche Hochleistungstraktoren positionieren und traktieren?)

 

Und man kann erst noch dauernd in die Luft gucken. Guat, für Alt-ADHSler. Keine Unfallgefahr. Wir kurbeln dann 60 Minuten wie Bienen, produzieren aber keinen Honig. Und ich schwöre Euch, man fühlt sich anschliessend wie früher die Mammuts, Wollnashörner, Säbelzahntiger und Riesengürteltiere. Nur dass wir nicht aussterben.

Das grosse Nirgendwo – ein geräuschloses Vakuum der Nullität, der Orkus des Nichts? …Nai, eher ein berauschter Flow in der inneren Wiese. Das carpe momentum– wir geniessen die Flow-Minuten mit unseren Cycling- Coaches Ursina, Chrigis, Kuck und Gemma.–  Und keine gähnende Leere wie im Altersheim:

 

Aber wie sagte schon Seethaler: „Man sollte sich lieber dem Schwachsinn nähern, als der Verbitterung.“ Verknorzter werden wir auf jeden Fall nicht.

 

Bis jetzt sind die Hochs auf jeden Fall höher als die Tiefs tief sind. Und das mach’ ich seit 25 Jahren.

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