Splendid Zeit

Es ist wieder Spendenzeit. EMails und Briefe zu Hauf, von Campax, Helvetas, Ukraine-Rettern…die machen das gut. Ich will denen nichts unterstellen, hab’ selbst ein schlechtes Gewissen.

Alles auf einmal: Rapid Response – Rette deine Enkelkinder – wenn es uns gelingt den Klimawandel aufzuhalten, indem wir die Grossbanken zum Umdenken bewegen…Plötzlich hab’ ich das Gefühl in einem Katastrophenfilm zu sein…und meist haben sie ja recht.

Jajaja. Während ich schreibe, verschwindet alle sieben Minuten eine Art von der Erde (und einige Menschen im Donbass…)

Der Singsang ist vertraut, die Tonalität bekannt. Klar, spende ich dann. Aber nicht immer. Und da kommt schon wieder das schlechte Gewissen.

Mein Mitleidsspeicher ist wohl etwas aufgebraucht.

Oder unser Spendenbudget. Die Ostafrikaner sind ja auch noch am verhungern. Irgendwie werden wir da immer abgeschmirgelter.

 

So kennen mich die meisten. Der rechte Mundwinkel zeigt bei mir nach oben, als würde ich lächeln, der linke hängt nach unten (nach einer Zeckeninfektion mit Gesichtslähmung vor über 30 Jahren). Das kann ich jetzt natürlich als kunstvolle Doppeldeutigkeit verkaufen.

…macht mich aber eher ratlos. Nein, nicht der schiefe Mund, die Welt.

Cringe. Das lässt einem erschaudern. Sind wir etwa alle durchgeknallt? Mit Blaulicht und Folgehornton gehts wohl nur noch knapp bis Weihnacht…Beim Ausmass dieser Katastrophen wird uns wohl mal kognitive Blindheit strafen. Oder irgendein Gott?

Eigentlich herrscht bei uns ja Naphta. Gott des Öls. Darum ist die Fussball-WM auch in Katar sein.

Darum wird Naphtas Stellvertreter für die Schweiz – der Röschti – jetzt auch noch Bundesrat.

Darum werden Olheizungen in der Schweiz nicht eingeschränkt, wir haben ja nur Strommangellage…

Nur geht mir das alles etwas zu schnell. Was da alles in unseren Köpfen rumeiert. Rapid Chaos. Oft hab’ ich beim Einschlafen nur noch so ein Nachglimmen all dieser Sammel-Werbung auf der Netzhaut.

 

Oikos, Geborgenheit, dafür ist jetzt Zeit. Adventsstimmung, die Sammler machen aus dem Bedürfnis nach Schutz ein Business. Nicht falsch. Einige sind zwar sus. Verdächtig. Man könnte sie mindestens unter die üblichen Verdächtigen einteilen.

Wegen 30-Minuten-Klimaschtau in Züri jammern unsere Verlustangst-Zombies über ihren Wohlstandsärger. Allergattungs-Beifall von der Goldküste. Wohl etwas sozial retardierte Speckgürtel-Tröten…mit glänzenden Autofahrer-SUV-Pausbacken, gefüttert auf „Kultur“-Kreufahrtreisen mit All-inclusive-Buffet.

Und die NZZ möchte die Jugendlichen auch noch bestrafen mit hohen Bussen. –

Simp. Klima-Einfaltspinsel. Denen fehlt wohl das Einfühlungsvermögen, um zu bemerken, dass ihnen das Natur-Einfühlungsvermögen fehlt.

Vielleicht sammeln wir nächste Weihnacht auch noch für Menschen, die den Unterschied zwischen grossen und kleinen Sorgen nicht mehr verstehen…? Wie sagt Elfriede Jelinek? „Der Klimawandel, der ist überall gleich, nur manchmal gleicher, wenn die Menschen vor lauter Geld nicht mehr atmen können.“

 

So ein Spenden-Mix gequirlt mit Gewissensbissen…aufgelöst in einer leckergemixten Algorithmen-Sosse aus Tagesschau, Guatnachtgschichtli und (reduzierter) Weihnachtsbeleuchtung kann dann schon unsere pekuniäre Zurückhaltung mindern – dann geben wir alles.

„ Wir glauben wir zahlen, wir glauben, wir zählen, und dann haben wir Ruhe.“

 

(Aus ganz anderem Zusammenhang, aber auch von Jelinek)

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