Zahltag

 

Gut, es war so eine Lappaliensituation. Ich wollte im Coop Quader mit GKB-Twint covidgerecht und elektronisch an der Kasse zahlen. Mein iPhone funktioniert aber mit Gesichtserkennung, konnte als so dank Wintermütze, FFP2-Maske und angelaufener Brille meine Fratze nicht erkennen. „hua**…Sh…**, fu…**“ undso, ein scharfer Schmerz in meinem Frontallappen kam auf.

Ich hab’ ja keinen Kühlungsmodus wie so ein Grosscomputer. Im Gegenteil die Langlauf-Mütze machte noch heisser. Verändert Pupille und Atmung. Kein Wunder erkennt mich mein Phon nicht, erweiterte Pupille wie ein addict; schweratmend mit ewigwährendem Seufzen wie die Covid-Verleugner.

Schieben die mich jetzt ab in einen Pro-Senectute-Handy-Kurs? Oder gar in die neue Seniorenklappe beim Kantonsspital – das Pendant zur Babyklappe?

– Eine Alterserkenntnis: Wenn dein Handelswert gegen Null tendiert, bist du am Arsch. Das ist wie bei der Rabatt-Wühlecken im Coop, die überlagerten Rindsblätzli sind plötzlich nicht mehr so viel wert.

Guat, mit Corona haben schon einige das Gesicht verloren. Als Entschädigung hat man ja als Backup das Vermögenskonto bei der GKB, so als Brennkammer permanenter Seligkeit bis in die Ewigkeit. Dass ist dann etwa so ein Anker wie die dicken Socken vom Hitsch, die ich mittlerweile vor dem Zubettgehen altersbedingt anziehe. Die nützen aber wenig, schwitzend vor der Coop-Kasse.

Man bemüht sich doch sich als Abgänger noch ins rechte Licht zu rücken. Und das jetzt mit fast dreiundsiebzig. Das Leben ist halt nicht immer ein endloser Carving-Tag mit wölklilosem Himmel und wohltemperierten 5 Grad. Als Oldie ist man da schon etwas reduziert wie heute der Aktions-Appenzeller-Käse.

Die unterbezahlten Coop-Kassiererinnen sind aber perfekte Altenversteher. Die wissen, dass sie uns überleben werden. Und da ich eh bald in der ewigen Cloud logiere, verlangsamen die automatisch die Spielgeschwindigkeit, fragen bedächtig einfühlend: „Haben Sie eine Supercard?“ Ein vielfach konditionierter Reflex: klar, habe ich die. Aber die da ist ja eine Cumulus, ist wohl für den falschen Laden?

Wiedermal alles falsch. Die unterversorgte Blutzufuhr trägt jetzt auch noch zur Panik bei. Es war einer jener Augenblicke, die einem in der Nacht aufwachen lassen, die man anhalten möchte, umkehren möchte…
Wie die 250’000 Paniker, die unterschrieben haben, das man die Beizen öffnet.

Sind das krampfhafte Panik-Entleerungen unverdauter Deppen-Vibes?

Den Mund in einer abwärts weisenden Parabel weiden sie sich am milden Rausch andauernder Unzufriedenheit. Sie wollen Planungssicherheit über das Leben, wohl der wichtigste Lebensaspekt seit dem Urknall.

Mein Jahr USA hat mich doch in den 70er Jahren so optimistisch gestimmt…Aber heute mehrschichtig optimistisch orangegebräunt wie es Usus ist unter uns Frührentnern, kann man sich solche Abknicker nicht leisten. Hani immer noch genug positive Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin? Erst später hab ich gemerkt, dass die US-Menschen sich sogar selber betrügen mit ihrem falschen orangeblonden Optimismus. So eine eigelbe Tolle ist höchstens das tolle am Verwesungsgeschmack.

Und da kommt er wieder, der moralische Reflex den wir wir alle beim Alters-Talk haben müssten: mehr Selbstbewusstsein! Mein Alterskollege Trump hat wohl diese Angst vor der Alterslächerlichkeit nicht. Spieglein, Spieglein an der Wand, wie wirke ich denn? Auch so machoalt, obszönalt, frühfossiliert, unverbesserlichalt, feigalt, formatalt, aufplusterndalt, dümmlichalt…?

Seelische Kargheit wittert man immer. Vielleicht bräuchten wir zusätzlich zur Contact Tracing App jetzt auch noch so eine Idiotenapp, die zuverlässig aufzeigt, ob sich in meiner unmittelbaren Nähe einer dieser Öffnungsidioten aufhält. Gibt vielleicht mehr Urvertrauen.

Gut, gibts noch Shakespare. Der King Lear. Mit den erschütterndsten Alterseinsichten: „Und von Stund zu Stund reifen wir, und von Stund zu Stund faulen wir!… Quält einen Geist nicht! Lass ihn ziehen!“ – Das machte ich dann auch und zahlte mit Maestro…The End: zurück zum Optimismus (und Knausgard)…“selbst die schlimmsten Erinnerungen haben früher oder später etwas Gutes.“

 

 

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